Minimalismus vs. Chaos im Kinderzimmer
Kennst du den bereits etwas in die Jahre gekommenen Minimalismus-Trend? Top aufgeräumte Zimmer. Meist farblich abgestimmt und mit sehr ausgewählten und minimalistischen Dekoartikeln. Wenn ich an ein Kinderzimmer denke, verbinde ich dies jedoch eher mit einem Wimmelbuch.
Sind wir mal ehrlich. Wir kennen es doch alle zur Genüge: das unordentliche Kinderzimmer. Das absolute Grauen vieler Eltern. Überall liegen Spielsachen verstreut herum, meist in allen möglichen Farbvariationen und wild durcheinander. Spätestens wenn man auf einen Legostein getreten ist und einem schmerzlich in Erinnerung gerufen wird, dass wieder einmal aufgeräumt werden muss, lässt sich das Durcheinander nicht mehr ignorieren.
AD(H)S und die Herausforderung des Aufräumens
Dass wir Eltern dabei oft selbst Hand anlegen müssen, ist keine Seltenheit. Besonders Eltern von Kindern mit AD(H)S kennen das Problem: Ohne Unterstützung ist das Kind nicht in der Lage, das Zimmer aufzuräumen. Jedes herumliegende Spielzeug, das es in die Hand nimmt, wird seine volle Aufmerksamkeit bekommen und das Kind wird davon so absorbiert, dass es vergisst, wieso es das Spielzeug in die Hand genommen hat. Und das noch weit über das Kleinkindalter hinaus.
Gutes Zureden hilft meist nur, bis es das nächste Spielzeug entdeckt hat. Es wird vom herumliegenden Durcheinander dermaßen abgelenkt, dass es auch in einem Alter unsere Unterstützung benötigt, in dem die Kinder unserer Freunde ganz selbstverständlich ihr Zimmer aufräumen. Diese Tatsache lässt uns Eltern manchmal echt neidisch werden. Zudem fragen wir uns, wieso unsere Kinder das nicht hinkriegen und was wir falsch machen.
Keine Angst, du hast weder versagt noch liegt es an der Erziehung (klar, eine klare Linie und Gewohnheit helfen sicherlich!), aber weißt du was? Die gute Nachricht ist, vieles kannst du mit einem einfachen Trick vereinfachen. Er heißt: Minimalismus. Wobei wir wieder beim Interior- und Ökotrend gelandet wären.
Wieso Minimalismus für AD(H)S-Kinder hilfreich ist
Stell dir vor, dein Gehirn nimmt alles wahr. Reize wirken nur so auf dich ein, du kannst kaum das Relevante vom Unrelevanten unterscheiden. Alles erscheint dir gleich wichtig: Der Vogel, der auf dem Fenstersims sein Frühlingslied zwitschert, und die Lehrperson, die vorne etwas erklärt. Soweit alles klar? So in etwa funktioniert das AD(H)S-Gehirn.
Stell dir nun vor, du kommst nach Hause und dort geht es genauso weiter. Das Radio läuft im Hintergrund, in der Küche wird gekocht und der Duft von Mittagessen erfüllt den Raum. In deinem Kinderzimmer wirst du von der Flut an Spielsachen und Büchern erschlagen. Nirgends kannst du zur Ruhe kommen. Du nimmst etwas hervor, beginnst damit zu spielen, dann entdeckst du das Spielzeug auf dem Tablar und wendest dich diesem zu. Am Ende liegt alles verstreut im Zimmer herum. Das macht die Sache mit der Konzentration bei den Hausaufgaben nicht gerade einfacher.
Du erkennst das Problem? Super, denn hier kannst du ansetzen.
Minimalismus praktisch umsetzen – weniger ist mehr!
Tu deinem Kind (und schlussendlich auch dir) einen Gefallen und schaffe weniger Ablenkung durch das Aussortieren überflüssiger Dinge. Schaffe eine klare und einfache Struktur. Beginne am besten im Kinderzimmer und widme dich anschließend dem Wohnbereich.
Dein Kind profitiert von weniger und sinnvollem Spielzeug. Spielsachen, die nicht genutzt werden, können aussortiert werden. Beschränke die Auswahlmöglichkeiten. Du musst nicht alles gleich aussortieren, aber packe es nach Themen in Kisten und lass diese rotieren. So hat dein Kind alle paar Wochen Abwechslung, es wird nicht erschlagen von der Auswahl und alles ist innert Minuten fein säuberlich zurück in seiner Kiste.
Du denkst, das klappt nicht? Probiere es aus, du wirst erstaunt sein, wie gut das funktioniert! Hab ein wenig Geduld und gib dem Minimalismus eine Chance.
Das restliche Kinderzimmer kannst du durch dezente Farben, wenig Muster und Lärmquellen möglichst reizarm gestalten. Ich bin keine Verfechterin des Beigemom-Trends. Im Gegenteil, ich mag farbige Kinderzimmer – im Maß, ohne Reizüberflutung.
Das Kind in den Prozess einbeziehen
Ist dein Kind bereits etwas älter, kannst du es in deine Entscheidung einbeziehen und die Dinge mit ihm gemeinsam aussortieren bzw. Themenkisten packen. Lass es dabei bestimmen, welche Spielzeugkiste als erstes im Zimmer bleiben soll. Setze auf Qualität statt Quantität.
Beziehe auch Großeltern und restliche Familienmitglieder in deine Entscheidung mit ein. Eine Oma, die bei jedem Besuch ein neues Spielzeug mitbringt, ist nicht wirklich förderlich. Führe die „One in, one out“-Regel ein: Ein Spielzeug kommt, eins muss gehen.
Schaffe einen klaren, ruhigen Ort zum Hausaufgabenmachen und zur Ruhe kommen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse: Weniger Chaos, weniger Stress
Viele wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass eine aufgeräumte Umgebung Stress reduziert. Viele Eltern berichten, dass ihre Kinder mit AD(H)S ruhiger werden, wenn weniger Chaos herrscht. Zudem kann Minimalismus auch dabei helfen, emotionale Überforderung zu reduzieren.
Probieren geht über studieren!
Probiere es einfach aus – zu verlieren hast du nichts, aber vieles zu gewinnen: Ein aufgeräumtes Kinderzimmer und ruhigeres Kind zum Beispiel.