Weit weg von der Bestimmung von Wortarten
Hast du dir schon einmal ernsthaft Gedanken über das Wörtchen «noch» gemacht? Nicht wirklich? Dann wäre jetzt der ideale Zeitpunkt dafür.
Betrachtet man das Wort aus grammatikalischer Sicht, ist «noch» ein unbeugsames und nicht flektives Wort. Das bedeutet, dass es keine andere Form annehmen, also auch nicht gesteigert werden kann. So weit, so gut. «Noch» ist aber viel mehr als nur das. Es hat eine viel tiefere Bedeutung, und zwar sagt es uns, was noch nicht ist und noch werden kann. Alles ist möglich, nichts ist unmöglich. Ich persönlich finde das Wort «noch» wundervoll und ich verwende es sehr oft im Umgang mit meinen Schülerinnen und Schülern. Wieso? Weil ich ihnen gerne konstruktives Feedback gebe und dabei hervorhebe, dass sie sich verbessern können! Dass sie etwas, das sie noch nicht beherrschen, in Zukunft durchaus noch lernen können. Dass es noch nicht reicht, aber das nächste Mal reichen wird, wenn sie das Feedback umsetzen. Es suggeriert, dass wir es selbst in der Hand haben. Das ist doch viel konstruktiver als das Feedback, dass eine Leistung schlichtweg ungenügend ist. So definitiv. So vernichtend und niederschmetternd. Man weiss nie, wie viel Einsatz eine Person in ihre Vorbereitung oder ihr benotetes Projekt gesteckt hat. Klar, man könnte schlussfolgern, dass die Note schlecht ist, weil zu wenig Einsatz erfolgt ist. Aber so einfach ist es oftmals nicht. Vielleicht liegt das Problem anderswo. An falschen Lernstrategien zum Beispiel. An der schlechten Organisation oder extremer Prüfungsangst. Deshalb finde ich das Wörtchen «noch» so unglaublich passend. Auch wenn ein Schüler oder eine Schülerin effektiv zu wenig Einsatz gezeigt hat, ausserhalb des Unterrichts nicht gelernt oder sich zuhause nicht nochmal mit der Materie befasst hat, passt das Wort. Dann muss man nächstes Mal halt «noch» mehr Zeit investieren. Dann reicht das, was man in der Schule gemacht hat, allein nicht aus. Es braucht «noch» mehr. Aber das kann jeder am besten für sich selbst beurteilen. Und an dieser Stelle sind meine Schülerinnen und Schüler erstaunlich ehrlich zu sich selbst – und zu mir. Man muss nur nachfragen. Oder noch nachhaken.