Die Geschichte von Jägern und Sammlern

Die Steinzeit und ihre Tücken

Wir haben sie in der Schulzeit alle durchgenommen: die Steinzeit mit ihren Jägern und Sammlern. Jäger waren auf eine hohe Wachsamkeit angewiesen, um schnell auf Gefahren oder gesichtete Beutetiere reagieren zu können. Wie Raubkatzen waren sie ständig auf dem Sprung, reizoffen und bereit, blitzschnell zu reagieren. Jäger mussten fähig sein, aus dem Moment heraus zu handeln, ohne dabei zu viel nachzudenken. Wurde zu lange nachgedacht, war das Beutetier bereits über alle Berge, und die Familie musste sich mit knurrendem Magen zu Bett legen (oder eher auf eine primitive Form erhöhter Schlafplätze). Fährten mussten teils über mehrere Tage verfolgt werden. Körper und Geist waren ständig in Bewegung.

Für Sammler konnte die kleinste Abweichung von Bedeutung sein. Die Bewegung im Dickicht, die auf einen Säbelzahntiger hindeuten könnte, war unter Umständen überlebenswichtig. Eine sich verändernde Farbe von Beeren konnte zum Verhängnis werden. Rot war eben nicht gleich rot. Und ganz vorneweg musste man stets offen sein für Neues und sich neuen Gegebenheiten rasch anpassen können.

 

Jäger und Sammler in der heutigen Zeit

Na, klingelt’s? Erkennst du die Parallelen? Es gibt eine Theorie, die ADHS mit den evolutionären Merkmalen von Jägern und Sammlern vergleicht. Diese wird oft als «Jäger-und-Sammler-Hypothese» für ADHS bezeichnet. Die Theorie ist in Fachkreisen umstritten, aber die Idee dahinter durchaus eine Überlegung wert. Die Idee: Eigenschaften wie Impulsivität, Ablenkbarkeit und schnelle Reaktionsfähigkeit waren für Jäger und Sammler überlebenswichtig.

Heute verhält es sich ganz anders. Während diese Eigenschaften in einer Jäger-und-Sammler-Umgebung nützlich gewesen sein könnten, können sie in einer modernen Gesellschaft – mit langen Schultagen, Büroarbeit und geregelten Tagesabläufen – oft als störend empfunden werden.

In einer Umgebung mit ständigen digitalen Ablenkungen (Smartphones, Social Media, E-Mails) und einer Flut an Informationen kann es schwer sein, sich auf eine einzelne Aufgabe zu konzentrieren, sei dies nun im Büro oder in der Schule. Der wachsame Sammler lässt sich dadurch nur allzu leicht ablenken. Bedenke den lauernden Säbelzahntiger! Und da liegt das Problem.

Impulsives Handeln und rasche, teils nicht durchdachte Entscheidungen wiederum stehen überlegten und strategischen Entscheidungen im Job und in Beziehungen gegenüber. Impulsivität birgt ein hohes Konfliktpotenzial. Aber bleiben wir beim Joballtag, dort besteht eine hohe Planungserwartung und Organisation, Zeiteinteilung und Struktur sind jedoch nicht unbedingt die Stärken von ADHS Betroffener. Auch langes Sitzen und Stillhalten in Schule und Büro birgt für viele Betroffene grosse Herausforderungen. Bewegung kommt im modernen Alltag einfach zu kurz. Da wählt man lieber keinen klassischen Bürojob. Zum Glück gibt es genügend Alternativen.

 

Jäger und Sammler bringen sich ein

Eigenschaften, die in einer ursprünglichen Umgebung überlebenswichtig waren, können in der heutigen, modernen Gesellschaft als Herausforderung empfunden werden. Dennoch kann AD(H)S auch heute Stärken mit sich bringen, z. B. Kreativität, Innovationsgeist und schnelles Denken in Krisensituationen, sind durchaus bemerkenswerte und wertvolle Eigenschaften! Beim Rettungssanitäter setze ich jedenfalls lieber auf rasches Handeln und weniger auf lange Pro- und Kontralisten. Und ein Polizist, der bei der Verfolgungsjagd Angst vor Geschwindigkeit und Risiko hat, ist am falschen Ort – oder besser gesagt im falschen Job. Langes Abwägen oder Stillsitzen sind hier nicht gefragt. Das Jobprofil ist definitiv ein anderes. Jedem seine Stärken. Man muss nur wissen, wo man sie richtig einsetzt.

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